Eins meiner Lieblingsstücke in meiner Privatsammlung ist…
ein um 1610 entstandener silber-vergoldete Deckelkrug. Er stammt aus Weilheim in Oberbayern und wurde von „des Klosters Goldschmieds Meister“ Philipp Schmidt gefertigt. Der kleine Deckelkrug ist für die Zeit typisch mit Schweifwerk und geflügelten Engelsköpfen verziert. Er ist teilvergoldet und vorzüglich erhalten.
Wann und wie ist er in meine Sammlung gelangt?
Vor einigen Jahren entdeckte ich ihn auf einer süddeutschen Auktion. Mir gefiel seine relativ geringe Größe und der gute Erhaltungszustand. Lt. Beschreibung war er mit einer (ungedeuteten) Stadt- und Meistermarke gestempelt. Das klang zunächst einmal spannend und ich spürte das hier ein interessantes Geheimnis zu lüften ist. Kurzum, ich erwarb das Stück und begann zu forschen.
Was fasziniert mich an diesem Objekt?
Wie schon oben angesprochen sein wunderschöner Erhaltungszustand und seine Geschichte. Die ausgewogenen Proportionen strahlen eine Vollkommenheit aus, wie sie nur ein sehr guter Goldschmied entstehen lassen konnte. Stilistisch ist der Krug eindeutig dem süddeutschen Raum zuzuweisen. Vergleiche gibt es in Augsburg aber auch in Ulm.
Die Stadtmarke, drei Türme, kommt nur in ganz wenigen süddeutschen Städten, wie Burghausen oder Weilheim, vor. Zur Goldschmiede beider Städte gibt es kleine Abhandlungen. Schließlich wurde ich in Weilheim fündig. Für die Zeit um 1600 kommt nur der Goldschmied Philipp Schmidt in Frage was mit den Initialen des Meisterzeichens übereinstimmt. Somit konnte ich erstmals seine Meistermarke nachweisen. In einem Beitrag von Stadtpfarrer Johann Damrich über die Alt Weilheimer Goldschmiede wird Philipp Schmidt als einer der überragenden Meister erwähnt.
Weitere Forschungen brachten interessantes zu Tage. Dr. Georg Hager verfasste 1894 „Die Bautätigkeit und Kunstpflege im Kloster Wessobrunn und die Wessobrunner Stuccatoren.“ Hier findet sich auf Seite 304 und 305 der folgende Hinweis. „Volgents, so hat auch Herr Prälath de Anno 1612 bei vorgedachten des Closters goltschmidt Meister Philipp Schmidt in Weilheim angefrimt und machen lassen zwcen ganz silberne ärm…..“ (wohl ein Armreliquiar)….. „Mer dem 20. November des obbemelten 1612. Jars von dißem goltschmidt erkaufft ein silbernes vergultes Kähntlein und 12 ineinander gesetzte hofpecherl. Bei dem silber vergoldetenem Käntlein (Käntlein, die alte Bezeichnung für Krug/Humpen) dürfte es sich zweifelsfrei um meinen Deckelkrug handeln, der für das Kloster Wessobrunn angeschafft wurde. Eine ehemals im Deckel eingelassenen Wappenscheibe, womöglich die des Klostervorstehers, ging im Laufe der Jahrhunderte verloren.
Abt Gregor II Prugger war von 1607-1655 Vorsteher. Er förderte durch reiche Aufträge an die Gold- und Silberschmiede in München, Augsburg und Weilheim die Bestände der Sakristei, die Verzierung der Reliquien und die Tafelausstattung. Lit: Germania Sacra. Historisch statistische Beschreibung der Kirche des alten Reiches, Folge 39. Das Bistum Augsburg und die Benediktiner Abteil Wessobrunn, Verlag de Gruyter 2001, Seite 412.
Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster 1803 aufgehoben. Das Silber musste an das zuständige Münzamt in München geschickt werden. 1810 riss man die Klosterkirche wegen Baufälligkeit ab. Große Teile der Klostergebäude wurden als Materialreservoir ausgeschlachtet, um die abgebrannte obere Stadt in Weilheim wieder aufzubauen. 1861 rettete der Münchener Historiker Johann Nepomuk Sepp die verbliebenen Bauten, indem er einen Teil der Anlage kaufte. Der freistehende Glockenturm überlebte die Säkularisation nur deshalb, weil die nebenan liegende Wessobrunner Pfarrkirche keine Glocken hat.
Wenn mein Lieblingsobjekt antworten könnte, was würde ich es fragen?
Zum einen hätte ich gern dem Goldschmiede bei der Entstehung dieses Kruges zu gesehen, zum anderen hätte ich gern gewusst welcher Verwendung ihm die letzten 400 Jahre zugekommen ist. Wer hat ihn alles gesehen und durfte ihn sogar in die Hand nehmen?