Auf vielen alten Silbergegenständen findet sich – neben der Meistermarke, dem städtischen Kontrollstempel und anderen Zeichen – eine eingeritzte sägeartige Linie. Diese Linie, eben der Tremolierstrich zeigt an, dass hier der zünftige oder obrigkeitliche Probiermeister Silber entnommen hatte, um dessen Feingehalt zu prüfen.

Gold und Silber sind in reinem Zustand zu weich, als dass sie gut bearbeitbar wären. Härtende Zusätze sind nötig: zur Hauptsache Kupfer für Silber, Silber für Gold (wobei die Antike in ihrer Vorliebe für rotes Gold auch hier Kupfer beimengte). Schon das entfernteste Altertum kannte die Notwendigkeit des Legierens, wusste die praktisch günstigsten Verhältniszahlen und vermochte den Silberanteil am fertigen Stück zu prüfen, wie archäologische Funde ergeben haben.

Die beiden, auch in literarischen Dokumenten überlieferten alten Probiermethoden gehen  „nach Strich und Stich“ vor. Das heißt, man machte einerseits die Prüfung „auf dem Stein“ (Strichprobe), andererseits „auf der Kupelle“ (Stichprobe, Feuerprobe). Mit der letztgenannten Art hängt der in Rede stehende Tremolierstrich zusammen, der gelegentlich auch bloss in einem wohl etwas tiefer eindringendem einzigem Stich bestand.

Das durch den Stich oder dem Sägestrich dem Werkstück entnommene Material wird gewogen, Blei zugesetzt und beides zusammen geschmolzen. Dabei trennt sich das Silber von seinen Zusätzen, die sich ihrerseits mit dem Blei verbinden. Um wieviel das nun reine Silber leichter ist als vorher, soviel Legierung enthielt es. „Kupelle“ ist der Name des eigens für die „scharfe Probe“ gebräuchlichen und eingerichteten Schmelztiegels. Stichprobe, Feuerprobe: wie wichtig dies angesichts der kostbaren Edelmetalle für den Staat und seine Münzprägung war, beweist das sprichwörtliche Weiterleben der beiden Begriffe im Sinne der unwiderleglichen und unrevidierbaren Wahrheitsprobung.

Die Prüfung auf dem Stein gibt den Silber- oder Goldgehalt etwas weniger genau an, genügt jedoch für eine erste Sicherheit. Auf einem Stück dunklen Kieselschiefers (man sprach früher vom „lydischen Stein“, wodurch er eine leicht mythische Aura erhielt) wird die zu bestimmende Legierung abgestrichen und aus der Farbe des Striches der Silbergehalt beurteilt: je heller der Strich, desto weniger Beimischung: je rötlicher, desto mehr Kupfer. Um den Feingehalt genauer zu erkennen, vergleicht man den Strich mit geeichten Probiernadeln. Mindestens ein Dutzend solcher Nadeln, in abgestuften Legierungen beweglich an einem dekorativen Griff gehängt, ergab die früher gebräuchliche „Rute“. Manchmal war sie auch aus Kupfer mit angelöteten Silber-Enden. Wird Gold auf dem Stein geprüft, so ist das dabei noch nötige Scheidewasser (Salpetersäure) der bestimmende Faktor, indem sich unter seiner Einwirkung die Legierungsstoffe verfärben. Auch der Strichstein wurde oft kunsthandwerklich mit Griff und Futteral versehen, und ebenso gab man der Goldwaage mit ihrem Gewichtssatz und anderen Utensilien gerne eine zierlich gearbeitete Gestalt.

Es ist verständlich, dass schon im Mittelalter Regierungen und, wo vorhanden, Goldschmiedezünfte Legierungsbestimmungen erließen und den Münzmeister sowie die Goldschmiede darauf vereidigten. Ihrerseits garantierte eine Stadt durch ihr eigenes Zeichen (Oft dem Stadtwappen entlehnt oder Initiale), das „Beschauzeichen“ für den geprüften guten Feingehalt. Zugleich verlangte sie auch von Goldschmied, dass er sein Zeichen auf ein Werkstück schlage, auf dass man ihn strafen könne, falls sich sein Silber als minderwertig erwiese. So ist es bereits in der ersten bernischen Goldschmiedeordnung von 1407 zu lesen. Die Meistermarke war also ursprünglich durchaus keine Hersteller- oder gar Künstlersignatur, sondern eine Feingehalts- also monetäre Wertgarantie.

Wichtig zu wissen, dass es in Deutschland keine einheitliche Probe durch den Tremolierstrich gegeben hat. Das regelten die Zünfte in den jeweiligen Städten selbst. In Schleswig-Holstein ist keine Probe durch den Tremolierstrich zu finden, ebenso wenig in Hamburg. In Augsburg und Nürnberg war es üblich, jedoch gibt es in Augsburg ab den 1780 er Jahren nur noch vereinzelt im 19. Jahrhundert praktisch gar nicht mehr. Auch können die Tremolierstriche unterschiedlich ausfallen, in den Niederlanden ist es in der Regel ein breiter, geschabter, Strich, in Augsburg und Nürnberg die allseits bekannte Zickzacklinie in unterschiedlichen Formen.

 

Vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert schwankte in Mitteleuropa der Feingehalt des Silbers zwischen 11 und 16 Lot und war im 18. Und 19. Jahrhundert auf etwa 13 Lot stabilisiert. (in England und Frankreich etwas höher, ebenso im alten Petersburg) Man rechnete früher nach Mark, Lot und Gran für Silber, nach Mark Karat und Gran für Gold: 1 Mark Silber (ca. 233 Gramm) = 16 Lot, das Lot zu 18 Gran; 1 Mark Gold = 24 Karat, das Karat zu 12 Gran. Heute rechnen wir mit Tausendstel und haben seit der deutschen Regelung von 1880 für Silber die Vorschrift von 800 oder 925 Tausendstel Silbergehalt. 800 er Silber entsprich ziemlich genau dem alten 13lötigen.